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Die Mutter als Hexe

Die Mutter als Hexe

In Poschiavo trieben einst ein Vater und sein Sohn ihre Schafe auf die Weide. Während sie sie hüteten, kam zwischen den Tannen ein alter Bär hervor, welcher sich ohne Säumen daran machte, die Schafe zu erobern.

Die Männer hatten ihre Äxte mitgenommen, um ein Bündel Reisig für den Abend zu rüsten. In Ermangelung anderer Waffen ergriffen sie die Äxte, liefen dem Bären nach und der Sohn versetzte dem Zotteltiere einen Hieb in die linke Schulter. Aber kaum war dies geschehen, rief der Sohn dem Vater zu: «Aber Vater, das ist ja kein Bär, sondern meine Mutter!» Der Schrecken liess die beiden an keine weitere Verfolgung denken, und der Bär zog sich heulend ins Dickicht zurück.

Hatte der Sohn im Ungetüm seine eigene Mutter erkannt, vermochte dagegen der Vater kaum zur Besinnung zu kommen vor Zweifel und Erstaunen. Dass seine eigene Frau eine Hexe sein solle, wollte ihm nicht in den Sinn, weshalb er auf dem Heimweg mit dem Jungen spektakulierte. Zu Hause trafen sie die Mutter an, aber im Bette liegend, und an der linken Schulter schwer verwundet. Wie sie Vater und Sohn näherkommen sah, stiess sie ein grässliches Geheule aus.

Nun erkannte der Vater, dass der Junge Recht hatte. Ohne weitere Umstände zu machen, ergriff er einen «Knebel» (Knüttel) und schlug erbarmungslos seine Frau weich. Diese schrie laut auf vor Schmerz. Aber das Hexen liess sie auch in Zukunft nicht.

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